Salutogenese: Definition und Wirkung
Was Salutogenese ist: kurze Erklärung
Salutogenese (Salutogenesis) ist die Beschreibung bzw. die Lehre von der Entstehung der Gesundheit. Der Begriff Salutogenese setzt sich aus lat. salus, gesund und lat. genere, hervorbringen zusammen. Der israelisch-amerikanische Soziologieprofessor Aaron Antonovsky veröffentlichte zur Salutogenese im Jahr 1979 das Buch Health, Stress, and Coping – das Standardwerk der Lehre von der Entstehung der Gesundheit.
Die Salutogenese grenzt sich ab zur Pathogenese. Die Pathogenese (zusammengesetzt aus griech. πάθος, Leid(en) und griech. γένεσις, Entstehung) beschreibt, wie psychische und somatische Krankheiten entstehen.
In der Mehrzahl der Behandlungsversuche von Zwängen und Zwangsstörungen wird leider nicht gefragt, was gesund macht, sondern was gestört wirkt. Das erschwert es natürlich, aus belastenden Denk- und Handlungsmustern auszusteigen.
Jeder Mensch versucht, sich sein Leben zu erklären. Warum es ihm so oder so ergeht bzw. bisher ergangen ist.
Beim Thema Zwänge ist es mit der herkömmlichen Sichtweise schwer bis unmöglich, eine sinnvolle Erklärung für impulsive Gedanken und die erlebte Machtlosigkeit gegen die Gedanken zu finden. Kein Wunder. Der Denkfehler liegt hier im Behandlungsansatz. Konfrontationstrainings können, das ist wissenschaftlich erwiesen, das Gegenteil dessen bewirken, was eigentlich beabsichtigt ist. Angstlernen kann die Folge sein, also eine Verstärkung der Symptome.
Aaron Antonovsky hat als Voraussetzung für Gesundheit drei zentrale Punkte genannt, die allesamt unter dem Oberbegriff Kohärenz stehen.
Was heißt Kohärenz mit Bezug zur Salutogenese?
Kohärenz leitet sich vom lateinischen cohaerere ab. Das Verbum cohaerere steht für zusammenhängen. Wir wollen die Zusammenhänge sehen. Bei den sogenannten Zwängen sehen viele nicht, dass die Idee, Gedanken zu bekämpfen unmittelbar zur Stärkung der Gedanken führen muss. Bei jedem gesunden Gehirn ist das natürlicherweise der Fall.
Das Kohärenzgefühl ist ein Gefühl der Sicherheit und der Stimmigkeit. Zur Kohärenz zählen nach Aaron Antonovsky drei Gesichtspunkte:
- Kohärenz wird als Gefühl des Verstehens (Verstehbarkeit) erlebt: „Ich sehe, welche Zusammenhänge es in meinem Leben gibt.“
- Zur Kohärenz zählt die Erfahrung, Gestaltungsspielraum und Handlungsfähigkeit zu haben, also das Leben gestalten zu können.
- Kohärenz hat zudem mit Sinn zu tun. Die uralte Frage nach dem Sinn des Lebens verlangt nach einer sinnvollen Antwort.
Sehen wir uns die drei Hauptaspekt der Kohärenz noch einmal an: in einem größeren Sinnzusammenhang verstehen und handeln können. Es fällt sofort auf, dass bei sogenannten Zwängen kein einziger Kohärenzfaktor gegeben sein kann. Die Menschen verstehen nicht, warum sie Zwänge haben. Sie empfinden sich als machtlos und hilflos. Und sie erleben viele ihrer Gedanken und Handlungen als sinnlos.
Auf der Basis solcher Eindrücke entstehen große persönliche Nöte – und diese nehmen nicht ab, wenn Therapien ebenfalls gegen die Kohärenz arbeiten. Auch wenn die Therapieversuche der Verhaltenstherapie noch so gut gemeint sein mögen. Allein die Wirkung zählt.
Konzentration auf Krankheit = problemstabilisierend
Die Pathogenese ist im psychotherapeutischen Bereich immer noch der dominierende Ansatz.
- Wird vor allem die Frage gestellt, woher ein Problem kommt, was soll damit gewonnen sein?
- Bei der herkömmlichen Behandlung von Zwängen wird davon ausgegangen, dass Zwänge wie eine höhere Gewalt über den Menschen kommen, der dann gegen sie ankämpfen, sie überwinden müsse.
- Der Pathogenese-Ansatz ist beim Thema Zwänge nicht gesundheitsfördernd
- Die Entstehung von Problemen auf psychischer Ebene hat fast immer mit Vermeidungsversuchen zu tun: „Ich will dies und jenes nicht denken, vor dem inneren Auge sehen usw.“
Salutogenese: Ich forsche bei mir nach, wann es mir besser geht, wie ich darauf hinwirken kann und wie ich auch dann gesund bleibe, wenn die Umstände ungünstig sind. Warum Salutogenese gesundheitsfördernd ist.
Über Gesundheit nachdenken: warum das gesund ist
Der Begriff Salutogenese wurde vom Medizinsoziologen Aaron Antonovsky eingeführt. Gesundheit ist in der Begriffswelt der Salutogenese kein statischer Zustand wie etwa ein Gewicht oder eine Größenangabe. Gesundheit ist ein Resultat aus Wechselwirkungen. Dazu zählen auch belastende Phasen. Mit anderen Worten:
- Gesundheit kann von einem Menschen und dessen Umfeld morgens nach dem Aufstehen anders beschrieben werden als am Mittag oder am Abend
- Gesundheit kann das Ergebnis – und auch das Zwischenergebnis – von Handlungen sein. Zwischenergebnis, weil sowohl ein Waldlauf oder ein Alkoholrausch ein anderes Gesundheitserleben hervorruft. Und selbstverständlich messbare Werte, z. B. Blutwerte.
- Gesundheit kann auch das Ergebnis von Gedanken sein, von Bewertungen, von Einschätzungen, von inneren Bildern. Wer sich – auch regungslos auf dem Stuhl sitzend oder im Bett liegend – ein Ereignis in den schlimmsten oder schönsten Farben ausmalt, hat in jedem der beiden Fälle andere Gesundheitswerte. Massive Angstzustände können zu ähnlichen Ausfallerscheinungen (Konzentrationsminderungen, Schwindel, Gangunsicherheit usw.) führen wie ein Alkoholrausch.
- Lesen Sie hierzu mehr unter So können Zwänge entstehen
- Beides – körperliche Handlungen und mentale Leistungen können zur Entstehung von Gesundheit beitragen bzw. das Gegenteil bewirken
- Beide Gesundheiten – die körperliche und die seelische – sind eins.
- Mens sana in corpore sana – und selbstverständlich auch Corpus sanus in mente sana. Wie ein gesunder Geist in einem gesunden, kraftvollen und ausdauernden Körper die besten Lebensbedingungen vorfindet, antwortet natürlich der Körper auf die Signale eines gesunden Geistes
Salutogenese: alle Sinne auf Gesundung und Gesundheit – beim Wissen um Belastungen
Machen Sie den Test, wie sich die Beschäftigung mit Salutogenese auf Sie auswirken wird. Schreiben Sie sich eine Woche lang auf, welche Aktivitäten, Gespräche und Gedanken zu Ihrem Wohlbefinden beigetragen haben.
Welches Buchkapitel, welcher Artikel hat Sie zuversichtlich gestimmt?
Notieren Sie außerdem, welche Krisenmomente Sie gemeistert haben.
Das Kontinuum von Gesundheit und Krankheit zählt zum Gesundheitskonzept von Aaron Antonovsky
- Es ist mit dem Leben nicht vereinbar, anzustreben, zu 100 Prozent gesund oder beschwerdefrei zu sein, weil das realistisch betrachtet gar nicht möglich ist.
- Wer vollkommende Gesundheit als das Idealmaß verlangt, ist selbstverständlich permanent im suboptimalen Zustand.
- Es kommt darauf an, bei gegebenen Bedingungen – und dazu zählen auch schräge Gedanken und seltsame Ideen – gesund zu bleiben.
- Aaron Antonovsky hat den Fluss des Lebens beschrieben, in dem wir gute Schwimmer werden können, wenn wir uns dafür entscheiden. Wer in den Fluss springt und sich gut in ihm bewegt, wird sich als gesund erleben.
Salutogenese arbeitet mit „sowohl als auch“
Zusammenfassung Salutogenese und Kohärenzgefühl
Salutogenese ist ein Gesundheitskonzept, bei dem das Kohärenzgefühl (Stimmigkeit und Zugehörigkeit) im Mittelpunkt steht. Das Kohärenzgefühl setzt Ambivalenz voraus. Bezogen auf das Thema Zwänge kann das heißen:
- Während eine Seite von mir immer wieder komische Gedanken produziert, weiß ich, dass ich ein hilfsbereiter und respektvoller Mensch bin. Ich verstehe und weiß, dass lebhafte Gedanken der Ausdruck eines aktiven Gehirns sind (Kohärenzgefühl der Verstehbarkeit)
- Auch wenn es mir lieber wäre, nur freundliche und aufbauende Gedanken zu denken, lasse ich die weniger erfreulichen Gedanken auftauchen und von alleine weiterziehen (Kohärenzgefühl der Handhabbarkeit)
- Obwohl mir eingeredet wurde, ich müsste frei von einengenden Mustern werden und alles in den Griff bekommen, öffne ich zum Zeichen meiner Freiheit die Hände – und lasse los, was ich in den Griff bekommen sollte. Zu jedem belastend wirkenden Gedanken kann ich ein entschärfendes, erleichterndes Attribut finden. So gewinnt mein Leben nach und nach wieder an Qualität und Freude. Ich kann mich meinem Leben widmen (Kohärenzgefühl der Sinnhaftigkeit)
Gesundheit statt Zwänge – wer kann etwas zur Gesundung beitragen?
Zwänge, Zwangserkrankungen – Auflösung eines alten Irrtums (Startseite)