Hier geht es um „Waschzwang“, Probleme der Verhaltenstherapie und alternative Ansätze
Waschzwang (Reinigungszwang) wird im ICD-10 F42.1 als als psychische Störung „Zwangsstörung F42.-“ definiert. Von außen betrachtet wirkt das Verhalten wie eine Störung. Bei genauer Betrachtung kommt aber auch hier ein Ordnungssystem ans Licht. Häufiges Händewaschen, Duschen und Putzen sowie eine Abneigung gegenüber Keimen, Bakterien und Viren sind in erster Linie Phänomene.
Auf dieser Website finden Sie zu Themen wie Waschzwang andere Informationsangebote als sonst. Nutzen Sie hilfreiche Beschreibungen für Phänomene – wie hier das häufige Händewaschen.
Erst einmal ein anderes Bild vom Wasser – denn das Bild oben auf dieser Seite zeigt die Situation, in der sich Menschen mit Waschritualen täglich erleben.
Wasser kann ganz ungezwungen, natürlich und schön sein. Der wertschätzende Umgang mit sich selbst ist die Grundvoraussetzung für eine gute Selbsthilfe bei zu häufigem Händewaschen. Bevor Sie bei Ihrem Verhalten am Waschbecken etwas verändern wollen, einigen Sie sich mit Ihrem Herzen: auf einen freundlichen Umgang mit sich selbst.
- Wer den Drang nach Reinigung verspürt, hat meistens Angst, sich z. B. über eine Schmierinfektion mit Keimen oder Viren zu kontaminieren oder seine Wohnung zu verseuchen und dadurch krank zu werden.
- Als Lösungsversuch waschen sich viele Menschen häufig die Hände. Diese Phänomene sind mit einem hohen Leidensdruck verbunden.
- Aus der Sicht der Seite der Betroffenen sind aber das Waschen und Putzen der aktuell einzig sichtbare Weg, die Ängste vor einer Erkrankung auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.
Oft beginnt schon eine erste Entspannung mit Vorstellungen (Imaginationen) wie:
- Natur umgibt mich.
- Ich lebe in einer ausgeglichenen Umgebung, in der sich ein gesunder, organischer Kreislauf der Stoffe auf natürliche Weise ergibt … ganz von allein … wie bei einem Bad im Meerwasser.
Was ist besonders problematisch an der Verhaltenstherapie?
- Speziell die Verhaltenstherapie (VT) verwendet fragwürdige und belastende Methoden. In der Literatur zur Verhaltenstherapie finden Sie häufig Empfehlungen wie: Setzen Sie sich dem angstauslösenden Reiz aus. Das könnte also heißen, jemand sollte in der Straßenbahn die Haltegriffe anfassen, nach Hause gehen und sich ohne Händewaschen ein Butterbrot schmieren. Eine wenig appetitliche, eine abstoßende Vorstellung.
- Die Konfrontation mit dem angstauslösenden Reiz (sog. Expositionstherapie, Reizkonfrontationstherapie oder Konfrontationstherapie) wird von Betroffenen vielfach als überflüssige und in der Regel nicht zielführende Zumutung beschrieben.
Wen wundert das? - Jeder kann erkennen, dass sich die Klienten ohnehin schon selbst unter einen hohen Druck setzen („Ich sollte endlich / für immer mit dem übertriebenen Händewaschen aufhören!«). Wie also wirkt es, wenn eine Person das denkbar Schlimmste tun muss?
Stellen Sie sich vor, Sie sollten so etwas tun:
- Therapeuten empfehlen, die Situation der Kontaminierung (nach Berührung z. B. der Klobrille) auszuhalten, um daraus rational abzuleiten, dass es nicht zu einer Vergiftung kommen wird.
- Es wird ein seltsames Lernspiel mit den Menschen veranstaltet:
- Wenn jemand die Klobrille berührt und danach seinen Körper sowie Gegenstände in der Wohnung anfasst, auf deren Sauberkeit er sonst penibel achtet, dann soll sie / er eigentlich was genau verstehen? Dass er davon nicht tot umfällt? Dass das bisherige Verhalten nicht zielführend war? Das wissen die Menschen doch längst. Genau das ist es, worunter sie leiden.
- Es fehlt beim Waschzwang nie am Wissen der Betroffenen. Der Verstand weiß genau, dass allzu häufiges Reinigen der Hände bzw. des Körpers nicht nötig und auch ungesund ist.
- Höchst problematisch ist die Empfehlung der absichtlichen Selbstverschmutzung (Verhaltenstherapie) auch deshalb, weil auch sonst niemand anzuraten ist, erst eine Toilette, die Klobrille und dann sich selbst sowie Gegenstände des Alltags zu berühren.
- Solche Ideen können nur Menschen in den Sinn kommen, die keine Ahnung von der Not jener Personen haben, die aus gewichtigem Grund ein enormes, unablässiges Streben nach Reinlichkeit zeigen – und entsprechende Ängste entwickeln, wenn sie den Erfolg ihres Reinlichkeitsstrebens in Gefahr sehen.
Der Fehler im Psychotherapiesystem: operatives Experimentieren am Symptom – ohne Beachtung der Wechselwirkungen
- Zwang, Zwänge: Im Zusammenhang mit der Diagnose dieser vermeintlichen Erkrankung oder Störung stellen sich die Betroffenen eine Vielzahl von Regeln auf.
- Bei Betroffenen von Zwangsstörungen besteht ein leidvoll erlebter Überschuss an inneren Vorschriften und Gesetzen, denen unbedingt zu gehorchen sei.
- Regeln, die sehr streng befolgt werden, gibt es bereits zu viele, sonst wäre gar kein leidvolles Erleben vorhanden.
- Deshalb ist es eine problematische Empfehlung, als Therapeut noch zusätzliche, neue Regeln aufzuerlegen im Umgang mit dem Phänomen, das mangels anderer Beschreibungen hilfsweise als Zwangserkrankung bezeichnet wird.
- Die Aufmerksamkeit sollte eben gerade nicht darauf liegen, auch noch von außen neue Regeln aufzustellen.
- Wenn Berater für die Klienten weitere Systeme und Gesetze erfinden, führt dies zu Meta-Systemen, unter denen die Regeln der Betroffenen weiterlaufen.
- Das Augenmerk hat auf den Zielen zu liegen, die bislang ersatzweise durch die Symptomatik erreicht werden sollten – und nicht erreicht werden konnten.
Jede Form von zwanghaftem Erleben steht mit rigiden Konsekutiv-Konstruktionen in Verbindung
Was heißt das?
Konsekutiv-Logik heißt: Wenn ich X mache / denke / vermeide, dann wird Y eintreten / nicht eintreten
Waschzwang Selbsthilfe: Wenn-dann-Konstruktionen verändern
So gut wie jedes als zwanghaft definierte Verhalten basiert auf einer Konsekutiv-Logik (wenn-dann):
„Wenn ich Handlung A unternehme, verhindere ich damit Unglück X“ – eine Wenn-dann-Konstruktion
Hier ist die Frage zu stellen, was gegeben wäre, wenn Unglück X nicht eintreten würde, z. B. Sicherheit, Vertrauen, guter Nachtschlaf, konzentriertes Arbeiten usw.
Jemand hat die Idee, frei zu sein von seinen Handlungen, wenn nur „endlich“ das Ziel erreicht ist. Also ist es schon eine Frage gesunder Logik, für das Ziel zu arbeiten statt gegen die bisherigen Lösungsversuche.
Mit anderen Worten: Eine Person sehnt sich nach Reinlichkeit. Als Mittel, die Reinlichkeit zu erreichen, hat sie bislang häufiges Reinigen der Hände, des Körpers und vielleicht auch der Umgebung gewählt. Weil sie kein besseres Mittel gesehen hatte. Was machen wir in der wertschätzenden Beratung?
Wir sehen uns gemeinsam das Ziel an und prüfen, welche Teile davon erreichbar sind. Damit ist gemeint: Eine sterile Umgebung wie in einem OP-Saal ist im Alltag weder erforderlich noch erreichbar. Diese rationale Erkenntnis reicht womöglich nicht aus. Deshalb braucht es die Vernetzung mit weiteren hilfreichen Arrealen im Gehirn, auch auf der somatischen (körperlichen) Ebene.
„Wenn Unglück X nicht eintritt, kann ich ABC genießen – also arbeite ich für ABC“
Liegt das Augenmerk auf dem Erfüllen erreichbarer Ziele mit vorhandenen Mitteln, so gerät das Thema Zwangserkrankung – hier: Waschzwang – in den Hintergrund; es wird weniger wichtig.
Waschzwang – Selbsthilfe und die Lösung
Ein gutes Gesprächsangebot ist immer eine befähigende Hilfe zur Selbsthilfe. Das „Patient Empowerment“ muss bei den Behandlern an erster Stelle stehen. Andernfalls können Abhängigkeitsmuster entstehen.
Beim Thema Waschzwang Selbsthilfe können sich diese Schritte als hilfreich erweisen:
- Die Bezeichnung Waschzwang wird nach und nach durch eine neue Beschreibung ersetzt.
- bewußt lange gewähltes z. B. „mein grundsätzlich zu unterstützendes und wertzuschätzendes Streben nach Reinlichkeit, Sauberkeit (und alles, was damit verbunden sein kann) – in einem vorübergehend großen Format“ ersetzt.
- Warum diese lange Beschreibung? Nun, weil „Zwang“ eine unzulässige, unsinnige Reduktion von menschlichen Anliegen auf ein von Psychiatern erdachtes Vokabular ist. Die Welt eines Menschen lässt sich nicht auf ein Wort reduzieren.
- Das Waschmuster könne leicht verändert werden. An geraden Tagen mit Seife waschen, an ungeraden ohne Seife. Morgens mit offenen Augen vor dem Spiegel. Abends mit geschlossenen Augen. Wenn mit geschlossenen Augen, dann als Angebot mit dem „inneren Bild von einer selbstverständlichen, gesunden Ausgeglichenheit, als ob ich im Meer bade oder barfuß im Sommerregen über eine Wiese gehe … und alles ergibt sich auf ohne mein Zutun von alleine, zu der Zeit, in der es recht ist …“
Ich wünsche Ihnen einen beglückenden Umgang mit sich selbst. Und die Erfahrung, dass mit dem Ende der „Zwangsrede“ der Übergang in eine freundliche, als gesund und stimmig erlebte Lebensphase eintritt
Lesen Sie auch die Seite zu Zwangsgedanken loswerden.
Waschzwang – was tun?
Duschen, waschen und die ständige Angst vor einer Erkrankung durch Infektion.
Viele Menschen suchen bei dieser Form der diagnostizierten Zwangshandlung Hilfe zur Selbsthilfe in Selbsthilfegruppen. Andere versprechen sich häufig Hilfe von einer Therapie (Verhaltenstherapie / Analyse, andere Verfahren werden wenig beworben).
Die meisten Therapeuten – speziell in der Verhaltenstherapie – versuchen, gegen eine „Zwangsstörung“ zu arbeiten. Im Sinne der Definition kann die Verhaltenstherapie einen Kontrollzwang regelrecht auslösen. Schließlich werden die Patienten werden dazu angeleitet, sich ihrer Angst gezielt und mit maximaler Selbstkontrolle auszusetzen. Sie müssen bzw. sollen sich z. B. auf dem Boden wälzen und mit den selben Kleidern (ohne diese zu waschen) in ihr Bett im Krankenhaus legen: damit sie auf der kognitiven Ebene (daher kognitive VT) verinnerlichen, dass sie zwanghaft handeln.
Solche Therapie-Zwänge führen zu hohem Stress bei den Betroffenen. Die Menschen erleben mit sich ohnehin einen ständigen Kampf gegen sich selbst, verbunden mit dem als Kontrollzwang erlebten Versuch, endlich und ein für allemal alles „in den Griff zu bekommen“ – auch die befürchtete Erkrankung. Und so bestätigt sich der Kreislauf aus negativem Selbstbild („Ich bin schmutzig») mit den Rückmeldungen von außen „(Tu etwas gegen diese Erkrankung, das ist zwanghaft!») und den psychischen Folgen (Ängste, es nie zu schaffen). So viel zu den Faktoren, die das Problem mit dem Begriff „Zwangserkrankungen“ dauerhaft stabilisieren, statt es zu lösen.
Ein ressourcenorientiert arbeitender Therapeut bzw. Berater wird den Begriff der Erkrankung kaum verwenden. Er konzentriert sich mit den Klienten auf die Anliegen, die hinter den Zwangshandlungen verborgen sind. Für diese Anliegen kann gemeinsam schon in der ersten Sitzung ausgezeichnet gearbeitet werden.